Geheimnisvolle Nachrichten

Aygen-Sibel Çelik
BVK Buch Verlag Kempen

Alter: 9-99/WM/Lesbarkeit: normal / Textumfang: XL (104 Seiten)

Auf dem Heimweg grübelt Erik über seine Sechs in Deutsch nach. Er findet einen Zettel mit einer geheimnisvollen Nachricht: "Belle keine Kapuzen an". Was soll das heißen? Aus dieser und einigen weiteren Nachrichten denkt er sich eine gruselige Geschichte aus - mit ihm selbst als Helden. Quelle: BVK Buchverlag Kempen

Leseempfehlung

von Sabine Kruber

Erik glaubt, dass mit ihm etwas nicht stimmt, denn er ist ein Denker. So bezeichnet er sich selbst. Seine Mutter, seine Klassenkameraden, die Nachbarn und furchtbar viele Experten glauben auch, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Aber sie halten ihn nicht für einen Denker. Mal sagen sie, er sei ein Zappelphilipp, dann soll er wieder ein Träumer sein, mal ist sein IQ zu niedrig, dann zu hoch, aber nie ist Erik so "normal", dass die anderen zufrieden mit ihm sind.
Und die in seiner Klasse, die mobben ihn deswegen. Vor allem Cenk und der fiese Jannik.
Ja, Erik ist ein Träumer oder besser gesagt, ein Denker. Aber das ist doch keine Krankheit.
Seit er sechs Jahre alt ist, schleppt seine Mutter ihn von einem Experten zum anderen. Nun ist er elf. Von jedem Experten erhält er eine andere Diagnose. Und jede Diagnose bedeutet für ihn einfach nur Chaos.
Nur das mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, das hat er wirklich. Davon ist Erik überzeugt, denn seiner Meinung nach könnten ihm seine Mitmenschen ruhig etwas mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen, anstatt immer nur über ihn zu reden und zu sagen, was er ist oder was er nicht ist.
Nun ja, und das mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche, das stimmt wohl auch.
Und so beginnt die Geschichte damit, dass Erik eine 6 in Deutsch geschrieben hat, weil er mal wieder nichts auf das Papier gebracht hat. Was soll man zu so einem blöden Thema auch schreiben? Mein schönster Frühling. Für Erik sind alle Frühlinge gleich schön.
Doch es hilft alles nichts, die 6 muss er der Mutter beichten. Das wird ein Gemecker geben. Aber die Sorgen, die sich seine Mutter um ihn macht, sind Erik noch viel unangenehmer als ihr Gemecker.
Also zögert er den Heimweg heraus, überlegt, ob er seiner Mutter ein Donnerwetterverhinderungsgeschenk kaufen soll und will erst nach Hause kommen, wenn sie gerade zu ihrer Arbeit aufbricht. Dann hat sie gar keine Zeit mehr für ein Donnerwetter. Erik lässt sich Zeit mit dem Nachhausekommen. Jede Kleinigkeit auf seinem Heimweg ist interessant, sodass er schließlich sogar den Bus vor seiner Nase davonfahren lässt.
Erik überlegt, ob er den Aufsatz nicht einfach wegschmeißen soll. Gerade als er dies machen will, stößt er auf die erste geheimnisvolle Nachricht. Es ist ein kleiner verknitterter Zettel, der auf dem Gehweg liegt.
Belle keine Kapuzen an!
Was will ihm diese geheime Botschaft sagen? Als er einen zweiten Zettel mit einer weiteren geheimnisvollen Nachricht findet, beginnt er Mülltonne für Mülltonne zu durchsuchen. Und tatsächlich, er stößt auf weitere Zettel mit geheimen, seltsamen Botschaften. Nun kann Erik gar nicht mehr aufhören zu denken und vergisst darüber vollkommen die Zeit. Dass er die Zettel nur mühsam entziffern kann und die Wörter auch nicht wirklich Sinn machen, sodass er raten muss, worum es geht, führt er auf seine Leseschwäche zurück. So denkt er sich Stück für Stück seine eigene Geschichte aus. Albtraumähnlich handelt diese von glatzköpfigen, ziegenbärtigen Mönchen, die Kinder entführen, um sie zu Ihresgleichen zu machen. Erik selbst wird von ihnen entführt, kann sich aber mithilfe eines Mönchs, der vielleicht ein Abtrünniger ist (da ist sich Erik nicht so sicher), verstecken. Aber diese geheimnisvollen Männer haben auch seinen fiesen Klassenkameraden Jannik in ihrer Gewalt ...
Erik hat wirklich eine rege Fantasie. Aber was hat es mit den Zetteln nun wirklich auf sich? Und heißt bellek ayni kapuz inan wirklich: „Belle keine Kapuzen an"?

Aygen-Sibel Çeliks Buch, ist keine leichte Kost. Die Lesbarkeit liegt bei normal mit einer starken anspruchsvollen Tendenz. Die im Präsens geschriebene Geschichte durchziehen Eriks traumähnliche im Präteritum erzählten Fantasien, die interpretiert werden müssen, will man Erik wirklich verstehen. Das Buch ist zwar für Kinder ab neun Jahren geeignet, ich denke jedoch, dass hier auch selbst sehr gute Leser noch Unterstützung brauchen.
Daher empfehle ich, es gemeinsam mit Kindern zu lesen und darüber zu sprechen. Hierfür gibt es weiterführend noch Material, um diese wirklich lohnende Geschichte als Literaturprojekt z.B. im Unterricht zu lesen.

Die Kapitel sind 8-10 Seiten lang. Die einzelnen Absätze sind gut voneinander abgesetzt. Die Serifenschrift und der Zeilenabstand weisen eine normale Größe auf. Zum Teil ist die Schrift kursiv. Für Leser, die Probleme mit der visuellen Wahrnehmung und Verarbeitung haben, könnte dies sehr anstrengend sein. Hier empfehle ich als Unterstützung z.B. einen Lesestein.

Auf alle Fälle möchte ich dieses Buch Erwachsenen ans Herz legen. Erik bringt einen nämlich wirklich zum Grübeln. Wie schnell packen wir Kinder, die nicht in unser "normales Schema" passen, in irgendwelche Schubladen? Was tun wir solchen sensiblen und kreativen Denkern wie Erik damit an?
Nehmen wir uns lieber ein Beispiel an dem türkischen Dichter, der zum Schluss mit Erik in Kontakt tritt und das Rätsel der geheimnisvollen Nachrichten mit ihm gemeinsam löst.

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