Warum Jungen nicht mehr lesen
und wie wir das ändern können
Katrin Müller-Walde
Campus Verlag
Ratgeber
Jungen sind die eigentlichen Sorgenkinder in der aktuellen Bildungsmisere. Das Problem: Leseunlust, Lerninkompetenz, Lebensangst. Schon jetzt prognostizieren die Wissenschaftler sozialen Sprengstoff. In ihrem Buch fordert die Journalistin und Fernsehmoderatorin Katrin Müller- Walde, die Bedürfnisse der Jungen zu berücksichtigen. Basierend auf aktuellen Studien der Leseforschung zeigt sie Wege aus der Krise und sammelt Lektüreempfehlungen von Jungen für Jungen, mit denen die Lust am Lesen wieder geweckt wird. Wenn es nicht gelingt, ihre Leselust wiederzubeleben, werden sie die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft nur schwer bewältigen.Quelle: Campus Verlag
Leseempfehlung
von Sabine Kruber
Jungen haben in unserem Bildungssystem stärkere Probleme als Mädchen. Untersuchungen wie beispielsweise die PISA-Studien zeigen dies immer wieder. Die Ursache für diese Probleme liegen jedoch nicht in unseren Kindern und Jugendlichen (egal ob Junge oder Mädchen), sondern an unserem Bildungssystem.
Das Buch Warum Jungen nicht mehr lesen – und wie wir das ändern können konzentriert sich auf die Frage der Leseunlust, vor allem bei Jungen.
Die Autorin und ZDF-Journalistin Katrin Müller-Walde hat selber einen Sohn, der in jugendlichen Jahren die Lust am Lesen verlor. Was waren die Ursachen? Und was lässt sich dagegen machen? Die Beschäftigung mit diesen Fragen führte schließlich zur Entstehung dieses Buchs.
Erschienen ist das Buch bereits 2005 und in einer überarbeiteten Auflage 2010.
Das Buch besteht aus drei Teilen. In dem ersten Teil geht es um die Frage, warum Jungen nicht mehr lesen. Die Autorin geht in diesem Teil darauf ein, was Lesen eigentlich bedeutet und dass es hierfür in unserem Gehirn keine Veranlagung gibt. Lesen ist also eine Kulturleistung des Menschen, die vermittelt werden muss. In der Leseentwicklung gibt es Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Die Autorin benennt Studien, die belegen konnten, dass Mädchen und Frauen mehr lesen als Jungen und Männer, eine andere Leseweise haben, andere Lesestoffe bevorzugen und insgesamt ein stärkeres Interesse am Lesen zeigen.
Es gibt also durchaus Unterschiede und unsere heutige Lesesozialisation scheint männliche Leseweisen zu benachteiligen.
Die Autorin fordert daher durchaus provokativ: „Jungen fördern, Mädchen sind schon stark genug.“ Damit stellt sie natürlich nicht in Abrede, dass letztendlich jedes Kind die Förderung bekommen sollte, die es braucht – egal ob Junge oder Mädchen.
Wichtig ist, dass man sich zunächst einmal bewusst macht, dass Jungen anders an das Lesen herangehen als Mädchen und auch andere Interessenschwerpunkte haben.
Es macht wenig Sinn, nichtlesenden Jugendlichen „gute und literarisch hochwertige Bücher zu empfehlen“, das schreckt eher ab.
Oft ist es so, dass Empfehlungen von Frauen ausgesprochen werden und somit meist häufig dem Bewertungssystem der Empfehlenden unterliegen. Überhaupt ist es ein großes Problem für Jungen, dass sie kaum die Möglichkeit haben, sich mit lesenden Männern oder gleichaltrigen lesenden Jungen zu identifizieren. Noch immer sind es häufig die Mütter, die abends den Kindern vorlesen, in den Kindergärten arbeiten überwiegend immer noch Frauen, ebenso in den Grundschulen. Jungen erfahren Lesen also als etwas Weibliches. In den wichtigen Jahren der Lesesozialisation finden Jungen häufig keine männlichen Vorbilder.
Wollen Eltern, dass ihre Kinder zu begeisterten Lesenden werden, dann müssen auch die Eltern begeisterte Lesende sein und ihre Kinder müssen sie dabei beobachten können. Daheim muss es Bücher geben, gemeinsam gelesen werden (auch wenn die Kinder schon lesen können) und Jungen müssen vor allem ihre Väter, Brüder, Onkeln etc. beim Lesen beobachten können und im besten Falle mit ihnen gemeinsam lesen.
Jungen bevorzugen auch andere Lesestoffe. Coole Bücher können sie begeistern. Am besten werden diese Bücher natürlich von gleichaltrigen Freunden empfohlen, aber das ist nicht ganz so einfach, wenn in der Peer-Group auch niemand freiwillig liest.
Neben dem Elternhaus ist auch die Schule eine wichtige Säule der Lesesozialisation. Doch coole Bücher gibt es hier auch eher selten. Hier muss Schule umdenken. Primäre Aufgabe muss es sein, Kinder dabei zu unterstützen, begeisterte Lesende zu werden. Dann werden sie sich später auch eher der „guten Literatur“ zuwenden. Wer jedoch nicht liest, dem fehlt die Übung und der ist von umfangreichen und anspruchsvollen Büchern überfordert. Spätestens wenn in der Schule dann Goethe, Hesse, Mann etc. gelesen wird, ist dies der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Lesen ist doof! So weit sollte es nicht kommen.
In der Neuauflage von 2010 wurde dem ersten Teil noch ein Kapitel hinzugefügt, in dem auch auf das Thema Legasthenie eingegangen wird. Hinter der Leseunlust können nämlich auch handfeste Probleme stecken. Die Autorin geht kurz und kompakt auf das Thema ein, ein Schwerpunktthema ist es in diesem Buch jedoch nicht. Es geht in erster Linie um Jungen, die keine Lesestörungen haben, wohl aber ungeübte Lesende sind, da sie dies halt zu wenig machen.
Im zweiten Teil des Buches geht es um die Frage, was man gegen die Leseunlust machen kann.
Die Autorin berichtet hier von tollen Leseprojekten aus Deutschland, den USA und anderen Ländern, die vor allem für Schulen interessant sind. Aber auch Eltern von Lesemuffeln bekommen hier einen guten Einblick, was beim Empfehlen von Büchern alles schief laufen kann und was ein „gutes Buch“ für den lesemuffelnden Sohn ist.
Erwachsene sollten die Leseinteressen von Kindern und Jugendlichen niemals abwerten, auch wenn für sie unverständlich ist, was an diesen Büchern so toll sein soll. Nur Kinder und Jugendliche, die Spaß am Lesen haben, werden zu Lesenden und bleiben am Ball. Dabei entwickeln sie ihre Lesekompetenzen ganz automatisch und die Chancen, dass sie irgendwann zum „guten Buch“ und zur gehobenen Literatur greifen, stehen viel besser.
Der dritte Teil enthält Literaturempfehlungen, die die Autorin von Jungen zwischen 12 und 18 Jahren erhalten hat. Diese hat sie nach Alter und Schwierigkeit aufgelistet und auch dazu geschrieben, warum diese Bücher für Jungen ansprechend sind. Da das Buch von 2010 ist, sind die Empfehlungen natürlich nicht mehr alle aktuell und einige Bücher gibt es vermutlich nur noch antiquarisch. Es sind aber auch viele Empfehlungen von Büchern dabei, die auch heute noch zu den Bestsellern gehören.
Am Ende des Buchs gibt es außerdem noch 10 goldene Regeln, wie man Jungs zum Lesen bringen kann.
Fazit: Das Buch ist ein wirklich sehr guter Ratgeber für Eltern von Söhnen (aber auch für Töchter sind die Tipps hilfreich). Eine Garantie, dass aus einem Lesemuffel eine Leseratte wird, ist das Buch natürlich nicht, es hilft aber, gravierende Fehler bei der Lesesozialisation zu vermeiden und somit bessere Chancen zu haben.
weitere Lesetipps
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