Das Geschenk

Sebastian Fitzek
Verlag Droemer Knaur

Alter: 16-99 /WM/ Lesbarkeit: normal-anspruchsvoll/ Textumfang: XXL (368 Seiten)

Milan Berg steht an einer Ampel, als ein Wagen neben ihm hält. Auf dem Rücksitz ein völlig verängstigtes Mädchen. Verzweifelt presst sie einen Zettel gegen die Scheibe. Ein Hilferuf? Milan kann es nicht lesen – denn er ist Analphabet! Einer von über sechs Millionen in Deutschland. Doch er spürt: Das Mädchen ist in tödlicher Gefahr.
Als er die Suche nach ihr aufnimmt, beginnt für ihn eine albtraumhafte Irrfahrt, an deren Ende eine grausame Erkenntnis steht: Manchmal ist die Wahrheit zu entsetzlich, um mit ihr weiter zu leben - und Unwissenheit das größte Geschenk auf Erden. Quelle: Verlag Droemer Knaur

Leseempfehlung

von Sabine Kruber

Ein Mädchen sitzt im Auto und hält einen Zettel an die Scheibe. Milan Berg sieht das Mädchen. Sie ist völlig verängstigt. Den Zettel kann er als Analphabet leider nicht lesen.
Das Mädchen geht ihm nicht aus dem Kopf und so macht er sich auf die Suche nach ihr. Schon bald stellt Milan sich die Frage, ob er zu dem Mädchen irgendeine Verbindung hat. Und die Menschen um ihn herum – sind sie etwas auch involviert? Erkenntnis oder Einbildung?

Das Geschenk ist ein spannender, aber auch ein ziemlich komplexer Thriller, der an einigen Stellen durchaus zu sehr konstruiert wirkt. Die Erzählweise ist nicht chronologisch, sondern beginnt mit dem Ende. Außerdem werden viele Begebenheiten aus Milans Kindheit und Jugend erzählt. Es kommt zu vielen Wendungen, die zum Spekulieren anregen, was ja gerade das Schöne bei einem gut gemachten Thriller ist. Dadurch ist das Lesen aber ziemlich anspruchsvoll. Es kommen außerdem viele Figuren in der Story vor. Wer hier leicht durcheinander kommt, dem empfehle ich eine Namensliste zu führen und sich zu jeder Figur ein paar Stichpunkte zu machen.
Wer mit expliziten Gewaltdarstellungen Probleme hat, der sei gewarnt. Gleich zu Anfang des Thrillers kommt es zu solch einer Szene. Es gibt jedoch Thriller, die diesbezüglich wesentlich heftiger sind.

Sebastian Fitzek hat sich in diesem Buch des Themas Analphabetismus in Deutschland angenommen. Auf das Thema ist er 2017 auf der Frankfurter Buchmesse gestoßen. Dort kam er am Stand der Alfa-Selbsthilfe mit Menschen in Kontakt, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Unter anderem lernte er dort auch Tim-Thilo Fellmer kennen. Tim-Thilo Fellmer ist ehemaliger funktionaler Analphabet und mittlerweile Autor und Verleger. So hatte Sebastian Fitzek eine sehr gute Beratung aus erster Hand.
Am Anfang der Story wird das Thema Analphabetismus leider ein wenig infodumpmäßig eingeführt. Später gelingt es dem Autor jedoch sehr gut, Milans Analphabetismus dynamisch und glaubhaft in die Handlung zu integrieren.
Die Ursachen für einen funktionalen Analphabetismus sind sehr unterschiedlich. Milan Berg leidet unter einer Alexie. Alexie ist eine erworbene Störung der Schriftsprache, anders als eine LRS oder Legasthenie, die eine Störung der schriftsprachlichen Entwicklung ist. In der Regel tritt eine Alexie gemeinsam mit einer Aphasie (Sprachstörung) auf, die zum Beispiel durch Schlaganfälle oder Hirnblutungen ausgelöst wird. Eine Alexie als singuläres Ereignis ist eher unwahrscheinlich.
Um dem Leser näher zu bringen, wie es ist, wenn man ein geschriebenes Wort nicht lesen kann, werden Wörter und Sätze im Text, mit denen Milan konfrontiert wird, mit Fremdzeichen geschrieben, die sich auch von kompetenten Lesern nur schwer entziffern lassen. Das ist eine wirklich gute Idee vom Autor.

Insgesamt hat dieser Thriller eine normale Lesbarkeit mit einer anspruchsvollen Tendenz, was an der komplexen Handlung und den vielen Figuren liegt. Wer jedoch mit einer normalen Lesbarkeit schon gut zurechtkommt, sollte sich davon nicht abschrecken lassen. Das Buch besteht aus 75 relativ kurzen Kapiteln. Man kann zwischendurch also immer wieder gut verschnaufen.
Sollte das Buch trotzdem noch zu schwierig sein, dann empfehle ich begleitend das Hörbuch einzusetzen. Man kann zum Beispiel die Anfänge eines Kapitels lesen und das restliche Kapitel dann zu Ende hören. Oder aber man liest das Buch mit einem Lesepartner gemeinsam im Tandem oder lässt es sich vorlesen. Menschen, die Schwierigkeiten mit der visuellen Wahrnehmung und Verarbeitung haben, empfehle ich das E-Book.

Fazit: Ein sehr spannender, manchmal etwas zu sehr konstruierter Thriller, in dem Analphabetismus eine sehr wichtige Rolle spielt.

 

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