Die Welle

Morton Rhue
Ravensburger Verlag

Alter: ab 12 Jahren /Wm/Lesbarkeit: normal/

Textumfang: XL (186 S.)

Wie entsteht Faschismus?
Ein junger Lehrer entschließt sich zu einem ungewöhnlichen Experiment. Er möchte seinen Schülern beweisen, dass Anfälligkeit für faschistoides Handeln und Denken nicht etwas ist, das nur andere Menschen betrifft – Faschismus ist hier mitten unter uns und in jedem von uns. Doch die „Bewegung“, die er auslöst, droht ihn und sein Vorhaben zu überrollen: Das Experiment gerät außer Kontrolle. Quelle: Ravensburger Verlag
Leseempfehlung

von Sabine Kruber

Drögen Unterricht gibt es mehr als genug. Da sind Lehrer wie Ben Ross schon was Besonderes.
Ben Ross ist Geschichtslehrer an einer amerikanischen Highschool. Er geht in seinem Beruf auf und kniet sich in einzelne Themen richtig rein, will sie so seinen Schülern näher bringen. Nicht selten lässt er von seinen Schülern historische Ereignisse nachspielen. Kein Wunder, dass die Jugendlichen seinen Unterricht richtig fesselnd finden.
Als er den Zweiten Weltkrieg durchnimmt, reagieren seine Schüler aus Mittelstandsfamilien, die in einer friedlichen Vorstadtgemeinde leben, von schockiert bis ungläubig.
Da fasst Ben Ross den Entschluss, seinen Schülern auch dieses Thema näher zu bringen und es so erfahrbarer zu machen. Und so startet er ein Sozialexperiment, das er „Die Welle“ nennt. Dabei geht es um die Frage, wie schnell sich Menschen einem autoritären System unterwerfen. Können seine Schüler so erfahren, was Autokratie und Massenhysterie bedeuten?
Werden sich seine Schüler mit ihrem typisch pubertären Verhalten, die häufig die alltäglichsten Regeln einfach ignorieren, autokratischen Strukturen unterordnen?
Niemals, denkt man beim Lesen. Völlig unvorstellbar. Doch genau dies geschieht. Es geschieht in solch einem Ausmaß, dass Ben Ross schließlich die Kontrolle über sein Experiment zu verlieren droht.
Nur wenige Schüler scheinen gegen „Die Welle“ immun zu sein. Zu ihnen gehört Laurie, eine Schülerin, die sich von der Faszination, die nach und nach die meisten Schüler der Highschool mitreißt, nicht anstecken lässt. Dem Autor gelingt es dabei sehr gut, die emotionale Entwicklung der Figuren darzustellen. Er zeigt auf, wie schnell die Schüler zunehmend die Kontrolle verlieren und sich der Bewegung absolut hingeben, dafür sogar bereit sind, ihre Individualität aufzugeben und sich der Gemeinschaft unterzuordnen.
Morton Rhue zeigt dabei sehr genau die Dynamik innerhalb der Schule. Sind es am Anfang noch Euphorie und Begeisterung, so entwickelt sich daraus allmählich Angst und Unterdrückung. Und wieder wundert man sich beim Lesen. Ist es wirklich so leicht, in eine Spirale aus Gewalt und Intoleranz zu geraten?
Dazu muss man wissen: Dieses Experiment gab es wirklich. Es wurde 1967 an einer Highschool in Palo Alto (USA) von dem Geschichtslehrer Ron Jones durchgeführt. Morton Rhues Roman basiert auf genau diesem Experiment und dessen Ergebnis.
Der Roman fesselt und er regt zum Nachdenken an. Eine Frage drängt sich unweigerlich auf: Würde ich auch so reagieren?
Das Buch erschien 1981. Das Thema ist nicht historisch. Es bleibt auf erschreckende Weise aktuell.
Die Welle ist eine beliebte Schullektüre, zu der es natürlich auch begeleitende Literaturprojekte gibt. Aber dieses Buch ist viel mehr als eine Schullektüre, denn es lässt seine Lesenden nachdenken über die Gefahren von Fanatismus, Autokratie, Diktatur, absoluter Unterordnung, Ausgrenzung, Faschismus.

Das Buch hat eine normale Lesbarkeit. Der Textumfang (XL) ist recht beachtlich, auch wenn der Text von Fotos, grafischen Elementen und großgesetzten Textstellen aufgelockert wird. Die Serifenschrift hat eine normale Größe und die Zeilenabstände eine normale Weite. Die Kapitel sind mit durchschnittlich zehn Seiten relativ kurz, sodass sich zwischendurch gut pausieren lässt. Mit Lesenden, die mit einer normalen Lesbarkeit noch nicht so gut zurechtkommen, empfehle ich das Buch im Tandem zu lesen. Es gibt aber auch die Alternative in einfacher Sprache. Diese Übersetzung ist ebenfalls sehr spannend geschrieben und verliert nichts von der Brisanz des Themas. Ebenso gibt es das Buch als E-Book und man kann auch das Hörbuch begleitend einsetzen. Auch wurde die Welle bereits mehrfach verfilmt.

Fazit: Ein trauriges Thema, dass nie an Aktualität und Brisanz verliert. Von daher – absolut empfehlenswert.

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